„Geige kann man nur als Kind erlernen.“ So ein Schmarrn! Welcher komplett verfehlten Vorstellung dieser Mythos entspringt und wieso du als Erwachsener dank 5 Kompetenzen im Vergleich zu manchen Kindern sogar im Vorteil bist, erfährst du hier.
Befreie dich vom Mythos!
Kinder lernen einiges schneller, leichter. Ja, aber es heisst nicht zwangsläufig, dass es Erwachsenen nicht gelingen kann, Geige zu lernen. Ich zeige dir gleich 3 Gründe, warum du dich von diesem Mythos schnellstmöglich verabschieden sollst.
- Kinder sind Kinder, du bist du. Dein Alter lässt sich nicht ändern. Wenn du loslegen möchtest, tu es einfach. Der Vergleich bringt nichts.
- „Geige kann man nur als Kind lernen.“ Würde der Satz stimmen, müsste es im Umkehrschluss doch bedeuten, dass alle Kinder, die jemals Geige angefangen haben, damit Erfolge erzielt haben, oder? (Wie auch immer man hier Erfolg definiert.) Und das stimmt in dieser Form natürlich nicht.
- Die These ist ein Paradebeispiel für Verallgemeinerung, nimmt keine Rücksicht auf deine Motivation, Persönlichkeit, bisherige Ausbildung, evtl. musikalische Vorkenntnisse. Ich persönlich halte von solchen pauschalen Aussagen nicht viel und hab als Geigenlehrerin in Wien zigmal gesehen, dass es sehr wohl möglich ist.
Geigespielen ist schwierig, aber möglich
Dass es sehr schwierig ist, ist Tatsache und wird dir jeder bestätigen, der mal angefangen hat. Ungewohnte Haltung, Koordination, Notenlesen, Multitasking, kein befriedigender Ton sind anfangs häufige Nerventöter.
Aber denk daran: wie viele haben es bitte doch schon geschafft, bis zu einem gewissen Grad Geige zu lernen? Und haben damit ein erfüllendes Hobby, Abwechslung im Alltag, Möglichkeit fürs Zusammenspiel mit anderen gefunden. Bereichernde Sachen, oder?
Je nach Begabung, Übemenge, Methoden und professionelle Unterstützung die du evtl. bekommst, kannst du als Erwachsenenanfänger diese Ziele gut erreichen.
Fürs Geigelernen sind deine Jahre sogar vorteilhaft!
Wenn du noch gar nicht begonnen hast, Geige zu lernen, hast du vielleicht wie viele andere, noch gar keine Vorstellung davon, was für ein schönes, koordiniertes, ausdrucksvolles Geigenspiel alles nötig ist.
Es ist viiiiiel mehr, als Arme und Finger zu bewegen!!
Das ist nur das Hör-und Sichtbare. Die Spitze des Eisbergs. Und nur weil Kinderfinger beweglicher sind, denken irrtümlich viele, dass nur die Jüngsten erfolgreich mit Geige werden können! (Das mag stimmen, wenn jemand beruflich Musik machen möchte, nicht aber wenn es um ein Hobby geht.)
Gerade deswegen braucht man – ausser eines gewissen Talents – unterschiedliche Fähigkeiten. Überraschung: deine Jahre sind hier von Vorteil, deine Lebenserfahrung, deine bisherigen Lernerfahrungen leisten hier einen enormen Beitrag dazu, dass du es auch schaffst!
5 Wunderwaffen, die du beim Geigelernen als Erwachsene sofort einsetzen kannst
1. Konzentrationsvermögen
Notenlesen, Koordination, Intonation u.v.m. brauchen Aufmerksamkeit. Du bewegst nicht nur die Finger, sondern setzt musikalische Strukturen um und sollst mental voll bei der Sache sein. Deine Konzentrationsfähigkeit ist aber zum Glück trainiert. Du bist von der Ausbildung oder vom Job gewohnt, fokussiert zu arbeiten. Du hast schon oft lange, vertieft gelesen, gewerkt, getanzt, Schach gespielt, Auto gefahren usw. Dass du dich gut konzentrierst, wird dir den Anfang mit der Geige leichter machen. (Glaub mir, einige Kinder haben es von diesem Aspekt deutlich schwieriger.)
2. Analytisches, strategisches Denken
Beim Geigeüben kommst du oft erst weiter wenn du im Stück oder in der Spieltechnik Probleme, Strukturen analysiert und verstanden hast. Im Anschluß kannst du dann die konkreten Strategien, Übungen aussuchen, mit denen du eine gewisse Stelle ausbesserst, stabilisierst und idealerweise so, dass es am nächsten Tag auch noch „sitzt“.
Du hast als Erwachsener ziemlich sicher schon Prüfungen geschafft, in Mathe Gleichungen und Ähnliches gelöst, Urlaubspläne erstellt, in der Fahrschule den Verkehr als Regelwerk kennengelernt und verstanden. Du bist es gewohnt, Unterschiedliches zu analysieren, logische, Schritt-für-Schritt-Pläne zu erstellen und zu vollziehen.
Du kannst dich freuen: diese Fähigkeit hast du schon dank deines Alter fürs Üben bereit.
3. Selbstbeobachtung
Wie führe ich denn diese Bewegungen genau aus?
Bleibe ich wirklich im Tempo?
Atme ich überhaupt beim Spielen?
War der Klang weich oder hart?
Bei solchen Fragen profitierst du vom „Altsein“ eindeutig. Diese Kompetenz, dich phyisch wie psychisch wahrzunehmen hast du ja schon in Schwangerschafts-, Meditation- oder Yogakursen sehr wohl gebraucht und entwickelt, oder kennst sie evtl. von Sportarten oder Therapien.
4. Eigenes Engagement
Meine Erfahrung zeigt, dass wenn Menschen über 18 einmal beginnen, dann wollen sie es wirklich. Und wie man es von der Lernpsychologie weiss, ist eine starke Motivation der beste „Treibstoff“.
Indem du diesen Schritt endlich wagst, verwirklichst du vielleicht – wie sehr viele – einen jahrzehntelang gehegten Kindheitstraum. Da habe ich echt schon unglaublich rührende Geschichten und erstaunliche Fortschritte dank des emotionalen Antriebs erlebt!
5. Passendes Mindset und Wertschätzung
Als Musikfan oder Oper- und KonzertbesucherIn bist du dir der wohltuenden Auswirkungen der Musik wahrscheinlich bewusst. (Sonst fasst es dieses Video ganz gut zusammen.) Kunst hat einen Wert für dich. Freilich wird davon der Bogenwechsel oder dein Rhythmus nicht sofort besser. Aber die Wertschätzung für die Sache wird dich leichter über Hürden tragen.