„Mein Bogen geht falsch.“ Eine ärgerliche Feststellung, oder? Sie mag zwar schon stimmen, aber gerade weil sie so allgemein ist, bringt es dich an die nächsten Übeschritte kein Bisschen näher. Schwierigkeiten kann man ja erst lösen, nachdem man sie gefunden und definiert hat. Hier kommen 7 konkrete Aspekte der Bogenhand, die du überprüfen sollst um die Probleme leicht und schnell zu beheben.
1. Verkehrte Strichrichtung
Du spielst bei einem oder mehreren Tönen statt Abstrich Aufstrich oder statt Aufstrich Abstrich. Bei Stellen mit komplexeren Strichen kommst du immer wieder durcheinander.
Merkmale:
- Das Gefühl, mit dem Bogen „verkehrt“ oder unlogisch unterwegs zu sein.
- Plötzlich an Bogenstellen zu spielen, die du nicht vorgehabt hast, wo es nicht gut klingt oder viel Aufwand nötig ist.
- Du hast nicht ausreichend Bogenlänge.
Häufige Ursachen:
Du hast…
- mit der falschen Strichrichtung begonnen.
- die Striche und Bindungen in den Noten nicht (konsequent) eingetragen.
- mehrere Strichvarianten über den Notenzeilen stehen, die dich beim Lesen verwirren.
- dich etwas früher im Stück mit dem Strich geirrt (statt legato getrennt gespielt oder umgekehrt) und bist deswegen seitdem „verkehrt“.
Lösungen:
- Bereite den ersten Strich bewusster vor.
- Halte deine Noten sauber, leicht lesbar und eindeutig.
- Übung: Zuerst nur die Striche inkl. Bindungen auf einer leeren Saite üben, um mehr Klarheit für die rechte Hand zu schaffen. So kannst du ein paar Töne, Takte, aber auch ein ganzes Stück ohne viel Aufwand „durchkämmen“ und strichtechnisch absichern.
2. Ungenaue Saitenebene
Die Saiten folgen der Krümmung des Steges, das ist optisch leicht wahrnehmbar. Weil der Steg eben nicht gradlinig ist, muss man den rechten Arm mal höher und mal tiefer halten, um mit dem Bogen gezielt nur eine Saite geräuschfrei zum Klingen zu bringen. Auf der E-Saite der Geige/ A-Saite der Bratsche steht der rechte Oberarm eher nahe zum Oberkörper. Auf der G-Saite der Geige/ C-Saite der Bratsche steht er deutlich höher, der Abstand zum Rumpf ist also grösser. An diesen verschiedenen Armstellungen nimmst du die Saitenebenen wahr. In Wirklichkeit gibt´s sehr viele Saitenebenen, aber der Einfachheit halber wird zu den vier Saiten gewöhnlich nur jeweils eine Ebene assoziiert.
Merkmale:
- Unerwünschte Geräusche klingen mit.
- Unfokussierter, schwacher Klang. Was du tun kannst, wenn der unbefriedigende Klang am Instrument liegt, liest du hier.
- Man hört mehrere Saiten gleichzeitig, obwohl nur eine klingen soll.
Häufige Ursachen:
- Der rechte Oberarm steht auf einer Saitenebene, die für die benötigte Saite nicht ideal, d.h. zu hoch oder zu tief ist.
- In speziellen Situationen wie bei häufigen Wechseln zwischen zwei Saiten wird die Bewegung mit zu viel Aufwand ausgeführt.
Lösungen:
- Diverse Tonleiter und Dreiklänge v.a. auf jener Saite üben, wo das Problem der unklaren Saitenebene aufgetreten ist. Mit diesen 9 Tonleiterheften für GeigenanfängerInnen geht´s besonders gut!
3. Ungünstige Bogenstelle
Die Bogenstelle bedeutet den Abschnitt des Bogens, den du bei einzelnen Strichen verwendest, z.B. obere Hälfte, Schwerpunkt. Das Tempo, die Strichart, die Artikulation und der musikalische Charakter entscheiden darüber, welche Bogenstelle bei einer bestimmten Passage gut funktioniert.
Merkmale:
- Der Bogen springt nicht, obwohl er das tun sollte, z.B. beim Spiccato.
- Der Bogen will wegspringen, obwohl er das nicht sollte, z.B. beim Détaché.
- Eine Passage braucht sehr viel Energie und Arbeit.
Häufige Ursachen:
- Du hast noch nicht / nicht gründlich genug überlegt, mit welcher Bogenstelle die rechte Hand die jeweilige Stelle meistert.
- Du hast zwar einen Plan gemacht, gehst aber in Wirklichkeit anders vor.
- Du bereitest die Bogenstelle unmittelbar vor den (für die Bogenstelle) problematischen Takte nicht gut vor. Wo du am Bogen in die Stelle beginnst, ist also nicht ideal.
Lösungen:
- Nimm dir Zeit für die Planung!
- Mach eine kurze Videoaufnahme beim Üben und schaue es dir an. So merkt man manches leichter.
- Beobachte die Entwicklung der Bogenstelle während der Töne, die die zu optimierende Stelle einleiten. Am besten im langsamen Übetempo.
4. Ungünstige Strichlänge
Jeder einzelne Bogenstrich wird mit einer bestimmten Bogengeschwindigkeit ausgeführt. Je nach Spieltempo und Dauer der gespielten Note(n) nimmt der Strich einen bestimmten Abschnitt der Bogenhaare in Anspruch, bevor die Strichrichtung gewechselt und der nächste Ton gespielt wird. Die Bogenlänge kannst du übrigens auch visuell ganz leicht wahrnehmen.
Merkmale:
- Der Klang ist allgemein nicht befriedigend.
- Der rechte Arm wird verkrampft oder zu schnell müde.
Häufige Ursache:
- Du hast die Strichlänge nicht geplant.
Lösung:
- Bei einem wiederholten Strichmuster (z.B. bei einem längeren Abschnitt im martelé) ist die Lösung ganz einfach. Überleg dir schon vor der jeweiligen Stelle, mit welcher Strichlänge man die Stelle rhytmisch, im Tempo, mit schönem Klang und Lockerheit meistern kann.
- Du kannst auch verschiedene Strichlängen ausprobieren und aufmerksam zuhören, welche Variante im Tempo besser klingt.
5. Unpassende Bogeneinteilung
Bei einer sinnvollen, musikalischen Bogeneinteilung werden die Stelle, Länge, Geschwindigkeit des Bogens aufeinander abgestimmt. Und zwar immer im Hinblick auf den gewünschten Klang und musikalischen Charakter. Eine total interessante, spannende Kunst an sich, ohne die das Geigenspiel schnell leblos wird.
Merkmale:
- Einzelne Noten sind deutlich schwächer oder stechen besonders hervor.
- Allgemein oder stellenweise unbefriedigender Klang.
- Einzelne Rhythmen sind schwierig realisierbar, obwohl sie im Kopf klar sind. Wie du deinen Rhythmus in 5 Minuten verbesserst, erfährst du hier.
- Müdigkeit im rechten Arm.
- Schwierigkeiten bei der Artikulation und bei springenden Stricharten.
Häufige Ursachen:
- Meistens ist das Problem, dass man jedes Mal einfach drauflos spielt ohne sich zumindest einmal überlegt zu haben welche Bogeneinteilung nötig wäre.
- Allgemein ist die Kontrolle über die Bogengeschwindigkeit nicht sehr ausgeprägt.
Lösungen:
- Die Bogeneinteilung unbedingt thematisieren! Je früher (nach dem Anfang mit dem Instrument überhaupt) umso besser. Das geht auch in sehr simplen Stücken.
- Weil eine gute Bogeneintelung das Zusammenspiel von vielen verschiedenen Faktoren bedeutet, muss man nicht nur diese Zusammenwirkung, sondern oft auch die einzelnen Faktoren unter die Lupe nehmen.
6. Falsche Artikulation
Töne kann man sowohl weich als auch hart gestalten, ganz unabhängig von ihrem Notenwert. Z.B. eine Folge von vielen Achtelnoten kann man unterschiedlich artikuliert spielen, trotzdem bleiben sie in beiden Fällen Achtelnoten. Breit, ohne sie voneinander zu trennen oder kürzer, lebendiger, jeweils mit kurzen Pausen zwischen den einzelnen Noten.
Merkmale:
- Das Ohr kennt die Musik (von Aufnahmen, Konzerten) anders und findet die Artikulation der Töne beim eigenen Spiel ungewohnt, komisch.
- Du wirst in den Noten plötzlich auf Notationselemente (Punkte, Keile) aufmerksam, die kurze Noten vorschreiben. Du spielst aber gerade eben breitere oder sogar gebundene Töne. Der Unterschied zwischen dem Gelesenen und dem Gehörten verwirrt und stört.
- Die Töne (v.a. ihr Beginn und Ausklang) klingen verwaschen oder zu hart.
Häufige Ursachen und Lösungen:
- Taucht dieses Problem z.B. beim spiccato auf, so hilft es ziemlich schnell, Tonleiter ebenso mit spiccato zu üben, um diese eine Artikulation und Strichart generell besser zu beherrschen.
7. Gerader Strich
Für einen schönen, gepflegten Klang muss der Bogen parallel zum Steg an den Saiten verlaufen. Das wird kurz als „gerader Strich“ bezeichnet. Wenn er schief wird, verursacht das eben sofort hörbare klangliche Probleme.
Merkmale:
- „wischi-waschi“, kraftloser Klang
- Pfeiffen, Quitschen und weitere störende Geräusche im Klang
- Es wird deutlich schwieriger zu kontrollieren, welche Saite bzw. wie viele Saiten gleichzeitig gestrichen werden
- Müdigkeit, in schlimmen Fällen Schmerzen im rechten Arm, Nacken- oder Schulterbereich.
Häufige Ursachen:
- Dein rechter Arm hat es ganz einfach noch nicht ganz sicher darauf, mit welchem Bewegungsablauf er den Bogen gerade auf den Saiten führen kann.
- Überforderung. Was heisst es? Bei leichten Sachen läuft der Bogen gerade. Sobald aber Herausforderungen mit etwas Speziellem auftreten, wird er schief, weil nicht genug Aufmerksamkeit für die Bogenführung übrig bleibt. Es ist ein klares Symptom dafür, dass die Bogenführung an sich nicht automatisch und unabhängig ist.
Lösungen:
- Leere Saiten, verschiedene Etüden bieten sich hier an, am Thema des geraden Strichs extra, ohne weitere Spielkomponenten zu arbeiten.