Griffarten und Tonarten auf der Geige – einfach erklärt

Wie greift man die Töne auf der Geige/Bratsche richtig? Warum ist der zweite Finger mal tief, mal hoch? Woher weiss ich welche Griffart für ein Stück brauche? Hätte ich so viele Eiskugeln wie oft ich diese Frage gehört habe, hätte ich schon ein Eisgeschäft. Hier zeige ich auch dir alle Antworten die du brauchst – verständlich erklärt.

Was sind Griffarten auf der Geige / Bratsche?

Griffarten sind bestimmte Griffmuster für die linke Hand. In einer Griffart werden kleine und große Abstände zwischen den vier linken Spielfingern in einem konkreten Modell kombiniert.

Warum stehen manche Finger weit, andere eng?

Die Abstände zwischen den Fingern widerspiegeln die Verhältnisse zwischen den Tönen und werden in den Griffarten graphisch abgebildet.

Bei Halbtönen stehen zwei „Nachbarfinger“ nah aneinander.

Bei Ganztönen muss ein kleiner Abstand zwischen ihnen bleiben. (Auf einer 4/4-Geige ca. eine Fingerbreite.)

Wie viele Griffarten gibt es auf der Geige/Bratsche?

Gewöhnlich werden in den verschiedenen Notenbüchern vier Grundgriffarten vorgestellt und eingeübt.  Ihre wichtigsten Merkmale:

1. Griffart: 2.-3. eng

2. Griffart: 3.-4. eng

3. Griffart: 1.-2. eng

4. Griffart: Nur große Abstände. Der erste Finger sitzt direkt am Sattel. Dadurch gibt’s hier keinen Halbton, man greift nur Ganztöne und die Hand wird breiter gedehnt.

(In Wirklichkeit gibt es noch viele andere Griffarten…)

Was sind Griffarten auf der Geige?

Die zweite und vierte Griffart auf der Violine

Wie verwendet man Griffarten?

Griffarten können optisch abgebildet werden. Die lange Linie repräsentiert eine (beliebige) Saite. Die Punkte und die Zahlen markieren die Fingerstellungen. Ablesen, nachmachen und fertig. Aber nur wenige und super einfache Stücke sind nur mit einer Griffart auf verschiedenen Saiten spielbar. Was kann man danach tun?

Was sind Grifftabellen für die Geige?

Aus Griffarten kann man auch überschaubare Grifftabellen basteln. Ihr großer Bonus: sie zeigen gleich, wie die Finger auf allen vier Saiten aufgesetzt werden sollen. Du bekommst quasi den Überblick, den Fahrplan für die linke Hand für dein Stück.

Grifftabellen für die Geige bestehen aus vier dünnen parallelen Linien, sie stehen für die vier Saiten. Von links nach rechts stehen sie für die Saiten G,D,A,E – genau wie man das beim Spielen selber vor sich auch sieht. Auf diesen Linien werden die Stellen mit Punkten markiert, wo die vier Spielfinger hingehören. (Gelb habe ich hier die Grundtöne markiert. Die leere G-Saite und die zwei Stellen, wo ebenso das G in unterschiedlichen Höhen vorkommt.)

Wie greift man die Töne in G-Dur auf der Violine?

Durch diese optische Hilfe wird geklärt wo deine Finger stehen sollen

Je nach deinem Stück kannst du dann die Reihenfolge der Töne variieren, welche überspringen oder wiederholen. So entsteht dann die Melodie, die man leicht erkennt. 

Vorteile des Denkens in Griffarten:

  • Die Arbeit der linken Hand ist schnell und unkompliziert nachvollziehbar.
  • Du kannst mit den ersten Stücken bald beginnen.
  • Erfolgsgefühl und Motivation steigen. Wer liebt das bitte nicht?

Das klingt doch alles super, oder? Ist es irgendwo auch. Die ersten Hürden kommen normalerweise mit etwas komplexeren Stücken.

Nachteile des Denkens in Griffarten:

Griffarten können verwirrend sein/werden.

  • Auf verschiedenen Saiten sind fast immer zumindest zwei verschiedene Griffarten nötig. Nur zu memorisieren, auf welcher Saite welche Fingerstellungen drankommen, ist mühsam und muss immer wieder aufgefrischt werden.
  • Lernst du mal höhere Lagen kennen, ist es endgültig aus mit den Griffarten. Denn die gleiche Tonhöhe wird in jeder Lage mit einem anderen Finger gespielt. Es bringt ja das pure Chaos. Das ist zum Verrücktwerden, wie sollte man sich das alles merken? (Ich muss gestehen, würde ich es so lernen müssen, würde ich die Sache ziemlich schnell hinschmeissen….)
  • Nicht praxisnah: In komplizierteren Stücken findest du manchmal Abschnitte mit unterschiedlichen Vorzeichen am Anfang der Notenzeilen. Der Grund dafür sind unterschiedliche Tonarten, die Komponisten einsetzen. Um sie zu meistern, brauchst du natürlich wieder unterschiedliche Griffarten. Wie soll man da den Überblick bewahren?

Aber jetzt kommt das Wesentliche:

  • „Woher weiss ich welche Griffart ich in einem Stück anwenden soll?“ In meiner Erfahrung zeigt genau diese, sehr häufig gestellte Frage, das gröbste Problem. Griffarten sind nämlich nur scheinbar eine Abkürzung und Vereinfachung! In Wirklichkeit fördern sie aber das analytische, schnelle Denken nicht sehr – und das ist doch eine unfassbar wichtige Fähigkeit fürs Geigenspiel!

Was kannst du also machen, wenn Griffarten nicht mehr weiterhelfen? Da kommen die Tonarten ins Spiel.

Was sind Tonarten?

Konzert in g-moll. Kanon in D-Dur. 

Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass in vielen Titeln solche kleine Zusätze versteckt sind. Sie geben die Tonart des Stückes an

Durtonarten sind z.B. – sehr vereinfacht ausgedrückt  – Tonfolgen, die zwei Bedingungen erfüllen müssen. 

1. Sie bauen auf einem Grundton auf. 

2. Sie sind eine bestimmte Abfolge von Halb- und Ganztönen.

C-Dur bedeutet, dass auf dem Grundton C die Abfolge 

Ganzton- Ganzton- Halbton- Ganzton- Ganzton- Ganzton- Halbton 

aufgebaut wird. Das Ergebnis:

C D E F G A H C

Bitte zwei Sachen gut merken: zwischen den 3.-4. und 7.-8. Stufen gibt´s von Natur aus einen Halbton.  Alle anderen Schritte sind Ganztonschritte.

Und jetzt kommt das Erstaunliche und wirklich Praktische an den Tonarten! Man kann sie auf jedem beliebigen Ton hervorzaubern. Dafür müssen die zwei Bedingungen unbedingt erfüllt werden.

Moment, dann müssten aber Töne stellenweise verändert werden. Genau. Deswegen verwenden wir die Vorzeichen. Ein Ton wird durch ein # (Kreuz) um einen Halbton erhöht, durch ein b (Be) um einen Halbton erniedrigt.

(Ein simples Beispiel fürs Hin- und Herschieben:

Du siehst in der C-Dur-Reihe, dass der Ausschnitt „E F G“ ein Halbton und ein Ganzton sind.

Geben wir vor dem Ton F ein Kreuz dazu, wird es zum Fis. 

Damit entsteht ein Halbton (Fis-G) und der Ganzton (G-A) bleibt unverändert.)

Töne auf der Geige richtig greifen – die Finger der Tonart entsprechend organisieren

Angenommen du spielst ein Stück in G-Dur. Schauen wir uns mal an wie du dich organisieren kannst.

Die Gedankenschritte:

1. Baue die Töne wie in C-Dur auf, aber fang beim Grundton an. 

In unserem Beispiel ist es das G. Das Ergebnis:

G A H C D E F G

2. Stimmt der Grundton? Start und Ende sind beim Ton G. Ja, alles super.

3. Stimmen die Halbtöne bei den 3.-4. und den 7.-8. Stufen?

3.-4. Stufen: H und C. Sie bilden von Natur aus einen Halbton. Das passt.

7.-8. Stufen. F und G. Moment, sie waren in C-Dur ein Ganzton. Also muss man was ändern und aus dem F ein Fis machen. Fis und G sind sehr wohl ein Halbton.

Und schon hast du die perfekte G-Dur-Reihe da. In deinem Stück musst du einfach nur die Reihenfolge der Töne variieren. Das liest du einfach von deinen Noten ab. 

Und auf diese Art, nur mit diesen zwei Bedingungen kann man eine Dortonlieter auf jedem beliebigen Ton aufbauen. So entsteht As-Dur, E-Dur, H-Dur usw… Das Prinzip bleibt übrigens bei Molltonarten auch gleich, nur hat man da andere Halbton-Ganzton-Konstruktionen.

Was bedeutet fürs Geigenspiel, dass ein Stück in G-Dur steht?

Die Töne der Tonart sind nur die „Hauptzutaten“ aus denen dann Melodien gebastelt werden. Natürlich heisst es nicht, dass du im Stück die ganze Zeit nur die G-Dur Tonleiter oder die Dreiklänge spielst. Es wäre ja todlangweilig! Auch Töne kommen vor, die „planmäßig“ nicht in G-Dur enthalten sind.

Im klassischen Repertoire ist der Ton G in einem Stück in G-Dur einfach ein starker Bezugspunkt. Das „zu Hause“ für die Ohren. 

Der Anfang und der Schluß der Stücke steht fast immer in der Tonart, die im Titel des Stücks vorkommt. Würde am Schluß der Grundton nicht erklingen, würden wir etwas vermissen. Die Sache wäre unrund und offen, die Zuhörer frustriert

Vorteile des Denkens in Tonarten:

Tonarten vereinfachen und systematisieren das Geigenspiel.

  • Statt in jedem Takt fragen zu müssen: „Ist der 1. Finger tief oder hoch?“ kannst du dir das Wesen von (Dur)tonarten merken. Damit entsteht ein umfassendes Bezugssystem.
  • Du kannst dir allgemein gültig merken, dass in einem G-Dur Stück kein F sondern nur Fis vorkommt. Einmal verstanden und etwas geübt, wird der 2. Finger auf der D-Saite und der 1. Finger auf der E-Saite wie automatisch hoch, also richtig greifen „wollen“. Weil es Sinn ergibt, und weil es sich nur so nach einer Dur-Melodie anhört. 
  • Hören, Greifen und Wissen, drei extrem grundlegende Bereiche des Geigenspiels sind also im Einklang. Der eine Bereich unterstützt den anderen. Sollten trotzdem Unsicherheiten auftauchen, kannst du sie mit logischen Gedankengängen selber klären und musst nicht bis zur nächsten Geigenstunde warten oder dich auf externe Meinungen verlassen müssen. Du wirst selbstständig beim Üben.
  • Hohe Lagen und Doppelgriffen zu erlernen werden viel leichterweil es eben ein grösseres Bezugssystem gibt, eine wichtige Stütze für Kopf und Ohren.
  • Tonarten mit ungewöhnlich vielen Vorzeichen schrecken dich auch nicht mehr ab.
  • Neue Stücke selber aus den Noten zu entschlüsseln wird kein Thema mehr sein. 
  • In Gruppen zu musizieren und Unbekanntes vom Blatt zu spielen wird schneller und leichter gehen.

Nachteil des Denkens in Tonarten:

Um sich mit Tonarten auszukennen, muss man zumindest die Grundlagen der Musiktheorie verstehen. (Notennamen, Notation, Intervalle, Dreiklänge, Vorzeichen sind wichtige Schlagwörter dabei…) Das kostet ein bisschen Zeit und Energie, die am Anfang des Geigelernens nicht alle einbringen wollen oder können.

Fazit

Tonarten sind musikalische Bezugssysteme. Mit ihnen bringst du in den scheinbaren Notendschungel Ordnung. Sie gelten für alle Instrumente und du kannst sie auch ohne Instrument hervorragend üben, z.B. mit Schreibaufgaben, Singen.

Griffarten sind graphisch abgebildete Fingerstellungen, die speziell für die Geige und Bratsche konzipiert sind. Sie ermöglichen einen schnellen Start.

Beide Konzepte sind hilfreich. Für GeigenanfängerInnen sind Griffarten sicher eine tolle Hilfe. Ich rate aber immer dazu, sich in kleinen Portionen und regelmäßig schon von Anfang an mit der Musiktheorie zu beschäftigen. Und sobald es geht auf ein Denken in Tonarten „umzusteigen“. Für ein schnelleres Lernen, eine spannendere Auswahl an Stücken und mehr Freude am Spielen!

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